Gestern war ich in der World Press Photo Ausstellung in Hamburg, bei Gruner+Jahr. Ein Pflichttermin für mich, bin fast jedes Jahr da. Aber gestern war ich wirklich enttäuscht. Natürlich – das Gewinnerfoto ist fantastisch und hat zu Recht den ersten Platz gemacht. Ein kleines honduranisches Kind, das bitterlich weint während ihre Mutter von einem US-Grenzbeamten durchsucht wird, das ist einfach sehr, sehr stark. Auch wenn – und darauf weißt die Erklärtafel in der Ausstellung hin – das Foto zu Unrecht für die Trennung von Eltern und Kindern an der Grenze steht. Denn die Behörden bestreiten ja, dass in diesem Fall Mutter und Kind getrennt wurden.
Nur wenige Bilder bleiben hängen
Doch das war es fast schon. Nur wenige der weiteren Bilder hat mich wirklich berührt. Die Opfer eines mutmaßlichen Giftgasangriffs in Syrien, mit dem bewilderten Blick eines der Männer, die im improvisierten Lazarett versorgt werden – dieses Bild bleibt hängen. Oder das eines Babys, kein Jahr alt, im Jemen. Geboren mit einem Herzfehler, auf Sauerstoff angewiesen. Doch den gibt es nicht, zwei Tage nach dem Foto ist das Baby gestorben. Der Blick des Kindes, wie es nach Luft ringt, die riesigen Ohren, der winzige Körper. Weiter: Das Schwarz-Weiß-Bild eines ausgezehrten Mannes in Venezuela. Einem Obdachlosen, der auf einer Liege sitzt – innerhalb von wenigen Wochen hat er, so die Geschichte, 30 Kilo verloren, auch er ist wenige Tage nach dem Foto gestorben. Nackter Oberkörber, die Haut ist nicht mit dem Gewicht geschrumpft, aus der Hose lugt der Calvin Klein-Bund hervor. Schließlich ein viertes Bild: Das von Fröschen unter Wasser, mit ausgerissenen Schenken. viele tot, einige am sterben, vorwurfsvolle Blicke aus einer Melange aus Tümpelwasser und Froschlaich.
Viele beliebige Motive, Fehler auf den Begleittafeln
Die Fotoserie zu Zwillingen in Nigeria – beliebig, wenig emotional. Die Serie zur Opiumepidemie in den USA – nachlässig fotografiert, die Texttafel muss die Emotionalität nachliefern. Der querschnittsgelähmte Paralympionike – hat mich trotz seiner persönlich faszinierenden Biografie auf den Bilder nicht gefesselt. Dazu kommt: Viele der Texte hatten Fehler. Tippfehler, Grammatikfehler, Sinnfehler. Klar, laut Duden können inzwischen auch Menschen evakuiert werden, aber ein Haus wie Grunar+Jahr muss ja nicht gleich jeden Blödsinn mitmachen (Und Pferde evakuieren). Insgesamt wirkte die ganze Ausstellung dahingehuscht – die Besucher wurden nicht mit Pfeilen oder Hinweisen durch die Ausstellung geführt, die Texttafeln zu hastig erstellt – und das, obwohl die Ausstellung inzwischen 5 Euro Eintritt kostet. Das ist zwar nicht die Welt, lässt aber die Erwartungen ein wenig steigen.
Besuchen oder nicht?
Natürlich lege ich jedem den Besuch ans Herz. Natürlich gibt es tolle Bilder, die jeder einmal in Din A0 Größe gesehen haben sollte, natürlich werde ich auch kommendes Jahr wieder zur entsprechenden Ausstellung gehen. Nur dieses Jahr werden die Erwartungen, die ich an die World Press Photos stelle, leider nur teilweise erfüllt.